Mittwoch, 17. November 2010

Trauerfall

Die schlechten Nachrichten reißen leider nicht ab....

In er Nacht von Sonntag auf Montag ist Innocentia, ein Kind von PCC verstorben. Für mich ist es besonders schlimm, da Inno mein Fütterkind war. Ich habe sie zu allen Mahlzeiten gefüttert und somit eine enge Bindung zu ihr aufgebaut. Ich habe sie wirklich wahnsinnig lieb gewonnen in den 4 Monaten....
Sonntag Nacht bekomme ich um 1.15 Uhr von Dina einen Anruf (Caregiverin mit der ich mich gut verstehe). Sie teilte mir mit, dass Inno verstorben ist. Ich war geschockt und fassungslos. Ich habe das Telefonat und die anschließende Nacht wie in Trance erlebt. Gefühlt habe ich nicht viel. Habe ich das alles nur geträumt oder ist es wirklich wahr....
Am nächsten Morgen habe ich Anja, wie jetzt jeden Morgen in der Stadt getroffen und wir sind zusammen zu PCC gelaufen. Die ganze Zeit habe ich über Inno nachgedacht und je näher wir zu PCC kamen, desto mehr wurde mir die schreckliche Situation bewusst. Ich habe Anja von dem Telefonat berichtet und ihr die traurige Nachricht übermittelt. Sie war ebenfalls geschockt. Kurz vor dem PCC Gelände haben wir Patrick (Caregiver) getroffen. Er sagte, dass es traurige Neuigkeiten gibt und wir sagten, dass wir es schon wissen. Er war auf dem Weg zu Leichenhalle, um einen Termin für die Bestattung auszumachen. Anja und ich haben unseren Weg vorgesetzt und dann war die Situation plötzlich so real und greifbar, dass ich zum ersten Mal weinen konnte. Mein Fütterkind ist gestorben! Ihr Platzt ist leer, alle haben jemanden zum Füttern, nur ich nicht.....
Ich habe mich aber schnell wieder gefangen, denn in Ghana zeigt man eigentlich keine Tränen und können nur schwer damit umgehen.
Auf dem PCC Gelände haben so ziemlich alle Caregiver wie in Ghana bei Traueranlässen üblich die Farben schwarz und rot getragen. Man konnte sehen, dass alle geschockt und in sich gekehrt waren. Manche hatten sogar Tränen in den Augen.
Wir sind dann zu unserem Raum und haben uns auch schwarze und rote Kleidung angezogen. Als es 8 Uhr war sind wir zum Füttern gegangen. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich verhalten soll. In Deutschland sind mir die Rituale und Abläufe bewusste, aber hier ist das was völlig anderes. Trotzdem bin ich zu Patricia gegangen. Sie ist die „Mutter“ von Inno und hat seit Anfang des Jahres 24 Stunden am Tag mit ihr zusammen gelebt. Ich habe sie in den Arm genommen und natürlich habe ich angefangen zu weinen. Patricia hingegen war stark und meinte, dass ich nicht weinen sollte. Sie hat dann ganz kurz berichtet, das Inno um ca. 22.30 Uhr angefangen hat sehr schwer zu atmen, worauf sie ins benachbarte St. Theresa Hospital mit ihr gegangen sind. Aber jede Hilfe kam zu spät und letztendlich ist sie gegen 1 Uhr in der Nacht verstorben.
Dann folget die furchtbare Essensituation für mich, in der mir wieder so bewusst wurde, dass Inno wirklich nicht mehr bei uns ist. Ihr Rollstuhl war leer. Zum Glück wurde ich gefragt, ob ich heute ein anderes Kind für einen Caregiver füttern könnte. Ich habe eingewilligt, denn so hatte ich wenigstens Ablenkung.
Anschließend wurde ein großer Stuhlkreis für alle gebildet. Leider wurden wir Freiwilligen in keinster Weise über irgendwelche Abläufe, oder Rituale informiert. Wenn wir den ganzen Tag über was wissen wollten, dann lag es immer an uns zu fragen. Das habe ich so schon oft und auch in meiner Familie so erlebt. Man wird kaum informiert. Gehen alle davon aus, dass man bescheid weis? oder können sie sich nicht vorstellen, dass für uns alles neu ist, wir aus einer anderen Kultur kommen?
Wie auch immer..... Ich habe dann Cinthia gefragt, wie es denn jetzt weiter geht und sie sagte, dass sie Inno im Sarg zu uns holen und der Sarg für ca. 40min geöffnet wird. Die Beisetzung würde auch am gleichen Tag erfolgen, da es wohl sehr teuer ist, die Leichenhalle zu bezahlen.
Wir haben also gewartet und gewartet, was nun passiert.
Es wurde etwas gesungen und Musik von der Kassette gespielt.
Um ca. 10.30 Uhr wurde Inno mit dem Auto aus der Leichenhalle abgeholt und der Sarg wurde auf einen vorbereiteten Tisch gestellt. Der Sarg wurde geöffnet. In dem Moment konnte zum Glück auch Patricia ihren Gefühlen freien Lauf lassen und hat geweint. Jeder der wollte durfte sich von Inno persönlich verabschieden. Auch Anja und ich sind zu ihr, um ihr die letzte Ehre zu erweisen und lebe wohl zu sagen. Ein unfassbar trauriger Moment, der mir sehr, sehr nahe gegangen ist.
Dann hat einer der Gründer von PCC (den ich dann zum ersten mal gesehen habe) für Inno am Sarg gebetet und wir haben für sie zusammen ein Lied gesungen.
Anschließend wurde der Sarg geschlossen und wurde von einigen Caregivern zurück ins Auto getragen.
Dann saßen wir Freiwilligen auf unseren Plätzen und Petra meinte, dass man ihr gesagt hätte, dass Inno um 13 Uhr beigesetzt wird.
So saßen wir eine gefühlte Ewigkeit.
Irgendwann wurde dann begonnen zu trommeln und zu tanzen. Ich war verwundert, denn ich meinte mich zu erinnern, dass es traditionell so ist, dass 40 Tage nach der Beisetzung des Verstorbenen, nochmals gefeiert wird. Also bin ich wieder mal zu einer Caregivern gegangen und habe sie gefragt, wo Inno denn jetzt ist. Sie hat mich ganz verwundert angeguckt und meinte, dass die Beisetzung schon war und ob ich nicht auch da gewesen wäre.... Ich war so verdutzt und enttäuscht und sagte ihr, dass kein Freiwilliger da war und wir alle nicht informiert worden sind. Sie sagte es tut ihr leid und jetzt gerade wird hier die eigentliche Feier nach 40 Tagen zelebriert. Ich bin zurück zu Anja und habe ihr das Mitgeteilt. Unsere traurige Stimmung ist dann schlagartig in Ärger umgeschlagen. Warum wurden wir nicht informier? Wie kann das denn sein? Es war wirklich frustrierend kann ich euch sagen und hat sich schlecht angefühlt. Angeblich waren fast alle Caregiver da und darunter auch viele, die meiner Meinung nach überhaupt keinen Bezug zu Inno hatten und wir Freiwilligen wurden einfach nicht informiert.
Naja es wurde weiterhin getrommelt und getanzt und um 14 Uhr gab es dann Essen für ganz PCC. Danach haben alle bis 16 Uhr Mittagspause gehalten und ab da ging der normale „Alltag“ wieder los.

Ich bin zu meiner Familie und habe ihnen den Trauerfall mitgeteilt. Sie sagten, dass es ihnen leid tut, waren auch bestürzt, wollten aber nur wissen, wie ob es ein Junge oder Mädchen war und wie alt sie ist. Dann wurde den ganzen Abend kein Wort mehr darüber verloren.
Es wird hier in der Kultur wirklich soooo ganz anders mit dem Thema umgegangen als in Deutschland und ich bin froh, dass den ganzen Tag über Anja an meiner Seite war. Sie versteht meine Gefühle und war ein guter Trost. Es tat gut mit ihr über Inno zu sprechen und uns über die Kultur auszutauschen.
Heute (einen Tag später) ist dann wieder der normale Alltag eingekehrt. Einige wenige Caregiver haben so wie Anja und ich noch mal schwarz und rot getragen. Niemand hat noch mal geweint.
Ich habe nun ein neues Fütterkind bekommen. Sie heißt Lisa. Ich habe heute ihrer Mutter beim Füttern über die Schulter geguckt und ab morgen werde ich dann übernehmen..... seltsam.....

3 Kommentare:

  1. Mein Gott Inchen, was erfahr ich da für'n Schei..! Ich bin ja erstmal froh, dass sich das mit der Gastfamilie geklärt hat. Hoffentlich nicht nur vorübergehend. Kaum gehe ich mal 2Tage nicht auf deinen Blog, schon überschlagen sich die Ereignisse, in negativem Sinne. Mit deinem Fütterkind, das tut mir sehr leid, Torben erzählte mir gestern davon. Fress bloß nix in dich rein, auch wenn dort Weinen verpönt ist und ihr bei der Beisetzung ausgeschlossen ward, dafür hast du keine Schuld, das ist dann eben so gewollt, dafür ward ihr in Gedanken dabei und die können sie euch nicht nehmen. Zeig' deine Trauer, da kann man auf der ganzen Welt, in keinem Land was falsch machen! Und zeig' deinen Unmut über die Zwieträchtigkeit, wenn es ums Geld geht! Ich hoffe und wünsche mir, dass wenn du das liest,schon alles wieder vergessen ist und du unsere fröhliche und selbstbewusste Ina bist, die das Leben in vollen Zügen geniesst und lieber an das Morgen denkt,als an das Vergangene!
    Liebe Grüße von Torben!(der hat mal wieder Rücken,ausnahmsweise, nicht schon wieder Knie)!!!
    Ich schau' mir jetzt nochmal die schönen Fotos von eurem Ausflug an und die vom Affenpark, dann hau ich mich auf's Sofa(habe heute Körper) und gucke den Streifen "Hangover"!Verkiffte Komödie..
    LG Andrea!

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  2. Hallo Ina,

    echt viel auf einmal, was ich da zu lesen hatte... und dann wirklich keine guten Nachrichten:( ich freu mich, dass sich das mit deiner Gastfamilie einigermaßen geklärt hat, aber umso trauriger macht es mich, dass du dort unten auch die negativsten Erlebnisse, wie einen Todesfall, zu verkraften hast... ich schließ mich Andrea an, lass deine Trauer raus.. man kann ja keinem vorschreiben wie man zu trauern hat.. und wenn so schnell wieder Alltag einkehrt ist das echt merkwürdig.. ich hoffe trotzdem, dass du schnell nach vorn schauen kannst und auch Freude mit deinem neuen Fütterkind hast!
    Übrigens hat mein bester Freund hier grad eine Freundin von der Elfenbeinküste, und letzte Tage haben sie Yam gekocht. Das heißt,irgendwo in der Nähe muss es dieses Yam geben..und dann könnte man auch Fufu machen;) ..ich werd das mal rauskriegen..
    erstmal eine schöne Zeit weiterhin und ich hoffe, es geht jetzt wieder aufwärts!

    Anna

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  3. Vielen Dank für eure Anteilnahme und die Aufbauenden Worte. Das bedeutet mir sehr, sehr viel. Ich lass mich nicht unterkriegen. Geweint habe ich, jetzt ist alles raus und mir geht es deutlich besser. Mit meinem neuen Fütterkind verstehe ich mich auch bestens.
    Eure Ina

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